Bäume und Straßenbau sind ein Konfliktfeld und führen seit Jahren zu kontroversen Diskussionen. Das Merkblatt Alleen des Bundesverkehrsministeriums beinhaltet Lösungsansätze, ist inzwischen aber über 25 Jahre alt und wird kaum noch beachtet. Wie Deutschlands Straßenränder heutzutage aussehen, wird inzwischen überwiegend anhand folgender Regelwerke entschieden: den Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume (ESAB 2006) sowie den Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme (RPS 2009). Während die ESAB explizit die Straßenbäume zum Inhalt hat, werden in der RPS Bäume nicht erwähnt. Es ist ein technisches Regelwerk für den Bau von Schutzplanken (= Fahrzeug-Rückhaltesysteme) zum Schutz vor Hindernissen am Straßenrand. In diesem Regelwerk werden „Hindernisse“ definiert, wie z. B. die „nicht verformbaren punktuellen Einzelhindernisse“ am Straßenrand. Gemeint sind beispielsweise Masten und Brückenpfeiler mit einem Umfang von mehr als 25 cm. Inzwischen werden mancherorts aber auch Bäume als „punktuelle Einzelhindernisse“ gesehen. Nach dieser Definition wären quasi alle Bäume am Straßenrand ein Hindernis.
Wann welches Regelwerk zur Anwendung kommen kann bzw. muss ist seit Jahren ein Diskussionsthema. Diese Frage war bereits 2016 auf den Deutschen Baumpflegetagen in Augsburg ein Schwerpunktthema. Aufgrund von Verunsicherungen sind schon gesunde Bäume am Straßenrand gefällt worden, um „regelwerkskonform“ zu handeln, da die RPS auch ausführt, dass Hindernisse am Straßenrand zu beseitigen sind.
Im vergangenen Jahr hat die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV, Köln), zusammen mit der FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau, Bonn) eine ad-hoc-Gruppe einberufen, um sich mit diesen Fragen zu befassen. Das Ziel ist die Erarbeitung eines Merkblattes für Bäume an Straßen „M BaS“, das von beiden Gesellschaften herausgegeben werden soll. Im Ergebnis soll das Merkblatt Alleen und die ESAB zusammenführen, um so ein aktuelles, allgemein verbindliches Merkblatt über Bäume an Straßen zu erarbeiten. Prof. Dr. Dirk Dujesiefken vom Institut für Baumpflege ist von Anfang an Mitglied dieser ad-hoc-Gruppe.
Die ersten Sitzungen waren von kontroversen Diskussionen geprägt. Es wurden die verschiedenen Standpunkte aus Sicht der Verkehrssicherheit und der Unfallentwicklung im Hinblick auf tödlich verletzte Verkehrsteilnehmer einerseits und des Naturschutzes sowie der Bedeutung des Straßenbegleitgrüns andererseits gegenseitig vorgetragen. Um von praktischen Beispielen zu lernen, wurde im Frühjahr 2019 eine Exkursion durch Schleswig-Holstein organisiert. Hier wurde die Vorgehensweise sowohl in historischen Alleen als auch an neu gebauten Straßen erläutert und diskutiert. Diese Erfahrungen sollen bei den kommenden Sitzungen den fachlichen Austausch vereinfachen, um ein Merkblatt zu erarbeiten, das alle Aspekte dieses Konfliktfeldes behandelt und das in Zukunft allen Beteiligten Lösungsansätze an die Hand gibt.
Für die Erarbeitung des „M BaS“ sind noch mehrere Sitzungstermine notwendig. Bis zur Veröffentlichung wird von der ad-hoc-Gruppe noch mindestens ein Jahr benötigt.